Unsere User gehen davon aus dass uns morgen eine bessere Welt erwartet.

Florian Weinzierl, Head of User Relations NIO Deutschland

Im Dezember 2022 hat NIO die ersten Fahrzeuge in Deutschland ausgeliefert. Im Laufe eines Jahres haben Sie NIO Houses in hochfrequentierten Innenstadtlagen in Berlin, Frankfurt am Main und Düsseldorf eröffnet. 2024 folgt Hamburg. Wie ist das Feedback bis jetzt?

FW Sehr positiv. Kürzlich hatten wir in Berlin ein schönes Beispiel. Da kamen australische Touristen in unser Haus am Kurfürstendamm, die lediglich nach einer U-Bahn-Verbindung fragen wollten. Sie haben sich dann aber eine Stunde lang dort aufgehalten und sogar ein Andenken im NIO Life Store gekauft. Ich musste schmunzeln, denn in Australien ist NIO ja noch gar nicht vertreten – aber in Berlin konnten wir die Leute schon für unsere Marke begeistern.

Was macht man eine Stunde in einem Showroom, wenn man nicht wegen der Autos da ist?

FW Mehr als klassische Showrooms sind die NIO Houses inspirierende Orte für unsere Community. Wir geben hier zu spüren, wie sich Autobesitz und individuelle Mobilität nach unseren Vorstellungen gestalten.

Wie kann man sich den Besuch konkret vorstellen?

FW In allen Häusern gibt es acht verschiedene Umgebungen: Neben dem Showroom für die Fahrzeuge sind das unsere Labs mit buchbaren Meeting-Räumen und Arbeitsplätzen, ähnlich einem Coworking-Space. Eine Bibliothek, eine Galerie mit monatlich wechselnden Ausstellungen, ein bestuhlbares Forum für Veranstaltungen aller Art und das Wohnzimmer als Ruhe- und Entspannungsort. Zusätzlich haben wir einen Kinderspielbereich, der sehr gerne angenommen wird. Und natürlich das Café, in dem auch immer ein ausgebildeter Barista arbeitet.

Komme ich mit jedem Angestellten über die Autos ins Gespräch? Oder setzen Sie auf Verkäufer?

FW Auch die Baristas kennen unsere Autos und können grundlegende Fragen der User beantworten. Aber für Verkausthemen verweisen sie an die Fellows im Haus. Die sind eher als klassische Verkäufer zu verstehen und kümmern sich auch um Service-Anfragen.

Wie locken Sie Interessenten an, wenn sie nicht gerade zufällig hereinspazieren?

FW Die Häuser sind sehr hell und freundlich gestaltet. Das erwähnte Café liegt immer gut sichtbar fürs Publikum im Erdgeschoss. Vor allem ziehen die Events. Dieses Jahr hatten wir rund 500 kostenlose Veranstaltungen: Laufgruppen, Yoga-Trainings, Box-Fit-Kurse, aber auch Social-Media-Trainings oder musikalische Eltern-Kind-Treffs. Bis hin zu Wohnzimmerkonzerten mit lokal aufstrebenden Musikerinnen und Musikern, bei denen wir immer Full House haben.

Können die Leute die gleichen Erfahrungen nicht gezielter im Konzerthaus oder Fitnessstudio machen?

FW Das Konzerthaus dreht sich ausschließlich um Musik, das Fitnessstudio nur um Sport. Wir bringen in einem Haus sehr viel zusammen, das einen gewissen Lifestyle kennzeichnet. Und verschiedenste Menschen, die aber alle irgendwo das gleiche Mindset haben.

Die NIO Houses sind Ihr primärer Touchpoint mit den Usern?

FW Offline ja. Online ist es unsere NIO App, bei der wir allein in Deutschland im ersten Jahr 70.000 Downloads erreicht haben. Hier versammelt sich unsere Community auf digitalem Wege.

Viele Automarken haben mittlerweile eine eigene App.

FW Naja, die meisten bauen jetzt nachträglich etwas zusammen. NIO hat den Gedanken der Community von Anfang an implementiert und baut auch die Fahrzeuge anhand der Wünsche der Community auf. Der Co-Creation-Gedanke ist bei uns extrem stark verankert.

Man kann Ihnen über die App zum Beispiel Feedback zur Innenraumgestaltung geben und das wird dann beim Design der nächsten Fahrzeugreihe berücksichtigt?

FW Ganz genau. Aber auch kurzfristiger: Das Geräusch unseres Blinkertons war zu Anfang nicht allen Usern angenehm. Also haben wir mit unseren Entwicklern an einem neuen Ton gearbeitet, den wiederum in Feedbackrunden mit den Usern erprobt, und innerhalb weniger Wochen konnten sie sich das Update per 5G-Modul ins Fahrzeug laden. Es geht aber nicht nur um die Fahrzeuge an sich, sondern bis zum Geschäftsmodell. Wir wollten die Autos zum Markteintritt nur als Abo anbieten, inklusive aller Kosten. Auf das Startevent hin bekamen wir aber einen Ansturm von Interessenten, die das Fahrzeug unbedingt kaufen wollten. Also haben wir, in Abstimmung mit den anderen europäischen Ländern, binnen sieben Wochen ein Kaufangebot entwickelt.

Sehen Sie im Subscription-Modell trotzdem eine Zukunft?

FW Wir sehen eine große Zukunft darin und lassen die NIO Subscription weiterlaufen. In unserer Community sind die Leute oft ziemlich unabhängig, sie verbringen eine Jahreshälfte hier, die andere im Ausland, wohnen mal in der Stadt, fahren aber auch gern in die Berge. Warum sollten die sich für einen einzigen Fahrzeugtyp entscheiden? Oder ein ganzes Jahr ein Auto hier stehen haben, wenn sie über den Winter in Südafrika sind?

Das hört sich nach einer spitzen Zielgruppe an. Wie stellen Sie sich Ihre Community vor?

FW Wir sind grundsätzlich für alle da, haben aber festgestellt, dass sich schon ein bestimmter Schlag Menschen für unsere Marke interessiert. Wir nennen sie die optimistischen Trendsetter. Das sind kosmopolitsche, digital vernetzte Leute, die nach Individualität streben, sich aber auch mit Gleichgesinnten austauschen wollen und vor allem sehr optimistisch in die Zukunft blicken. Sie gehen davon aus, dass uns morgen eine bessere Welt erwartet.

Idealisten, E-Mobilität-Fans oder Last Generation?

FW Ich denke, wir haben es zu etwa achtzig Prozent mit Überzeugungstätern zu tun. Aber nicht im Sinne der Last Generation, sondern bei uns sammeln sich eher die, die sagen: Okay, wir ziehen mit, wir gestalten das Thema Verkehr neu. Im Sinne einer „First Sustainable Generation“.

War das auch Ihre eigene Motivation, bei einem Newcomer auf dem Automarkt mit diesen Grundwerten zu arbeiten?

FW Einerseits ja. Ich bin selbst junger Vater und ich möchte, dass meine Tochter auch eine Welt mit Artenvielfalt, gesunder Luft und sauberem Wasser vorfindet. Andererseits hatte ich nach einigen Jahren bei meinem vorherigen Arbeitgeber, Europas führendem Mobilitätsanbieter, das Bedürfnis, nochmal neue Erfahrungen zu machen, und dafür ist NIO ein gutes Pflaster. Da lernt man Dinge, die vielerorts noch ungewohnt sind.

Vielen Dank für das Gespräch und die spannenden Insights!