Unsere Maxime: Re-use, reduce, recycle! Dazu gehört auch Verzicht.

Oliver Arnold, CEO Vizona

Oliver, du kennst den Ladenbau in- und auswendig. Welche Stellschrauben habt ihr, um den Klima- und Umweltschutz mitzugestalten und euren CO2-Fußabdruck gering zu halten?

OA Wir decken ja eine große Leistungsbandbreite ab, von der Entwicklung über die Produktion bis zur Montage, da sehen wir viele Möglichkeiten. Unser Fokus liegt aktuell auf dem Thema Verpackung und Logistik. Unsere Maxime: Re-use, reduce, recycle! Dazu gehört auch Verzicht. Unsere Herausforderung ist aber, dass unsere Produktionen alle auf individuellen Möbelkonzepten und kundenspezifischen Flächenplanungen basieren. Von Produktionslosgrößen über Verpackungskonzepte bis hin zu optimalen Transportrouten, wir können nichts einfach wiederholen. Alles bedarf einer komplexen Planung.

Welche konkreten Maßnahmen habt ihr ergriffen?

OA 2022 haben wir begonnen, innerhalb Deutschlands Paletten aus Wellpappe anstelle von Holz einzusetzen. Sie sind zu hundert Prozent recycelbar, sehr leicht zu entsorgen und viel leichter. Das macht sie besser im Handling und es landet zudem weniger Gewicht im Lkw und auf den Straßen. Wenn man dann noch mit effizienten Laderaumkonzepten arbeitet, spart man einiges an Transportvolumen, Treibstoff und letztlich CO2.

Wie viel bekommt der Kunde von dieser neuen Lösung mit?

OA In diesem Fall war die CBR-Gruppe unser erster Komplize. Die geänderten Verpackungsmaterialien bleiben, unter anderem durch die optimierten Abläufe am Einsatzort, nicht unbemerkt. Wir bekommen positives Feedback von den belieferten Händlern, insbesondere wenn Sie die Verpackungsentsorgung selbst übernehmen. Das bestärkt uns darin, die neue Verpackungslösung generell für alle Kundenprojekte einzusetzen.

Von welchen Größenordnungen sprechen wir dabei?

OA Für alle Projekte im Laufe eines Jahres bestellen wir etwa 6000 Paletten. Zuzüglich etwa 30.000 Stück Verpackungskartonagen. Für uns als mittelständisches Unternehmen ist das schon eine Menge.

Wer kümmert sich um die Entsorgung der Paletten aus Pappe?

OA Unsere Spediteure nehmen das Verpackungsmaterial nach Anlieferung der Ware wieder mit und bringen es zu einer Recyclingfirma. Idealerweise direkt vor Ort. Manchmal wird alternativ die vereinfachte Entsorgung durch den Kunden selbst vereinbart.

Ihr habt neben Transport- auch neue Verpackungslösungen entwickelt.

OA Ja, wir haben den Materialeinsatz komplett umgestellt und verzichten fast durchweg auf Kunststoff. Als allererstes haben wir den Einsatz von Styropor (Polystyrol) gestrichen und stattdessen mit unseren Verpackungslieferanten eine Lösung aus Kartonagen entwickelt. Dann haben wir uns von der Luftpolsterfolie verabschiedet und verwenden nun ein Prägepapier. Auch die Schaumchips, die als Füllmaterial dienen, haben wir vollständig verbannt. Wir haben in einen großen Kartonagen-Schredder investiert, mit dem wir unser Füllmaterial selbst und bedarfsorientiert häckseln können. So landen unsere Kartonagenreste auch nicht mehr im Transport zum Recyclinghof. Schließlich haben wir sämtliches Klebeband auf Papier umgestellt und die folierten Versandtaschen durch Pergaminumschläge ersetzt.

Vorort können unsere Spediteure die Verpackungen jetzt vollständig und ohne Trennaufwand zur Altpapier-Wiederverwertung geben.

Brauchte es zusätzliche Manpower, um diese Sachen intern umzusetzen?

OA Wir haben eine Stelle geschaffen, die explizit das Thema Logistiklösungen vorantreibt. Der Mitarbeiter besucht gezielt Messen, beobachtet Produktinnovationen und entwickelt zusammen mit externen Dienstleistern Verpackungskonzepte für unsere Kunden.

Hält der Verpackungsmarkt neben Karton und Papier auch andere Materialien bereit, die ökologisch verträglich oder recycelbar sind?

OA Eine Menge. Mich fasziniert, was in den letzten Jahren auf den Ladenbau- und Verpackungsmessen alles vorgestellt wird. Materialien aus organischen Abfällen, aus Reis, Eier- oder Nussschalen. Für kleinere Verpackungen, etwa für Montageteile, verwenden wir derzeit Kartons aus Graspapier. Die werden aus Heu hergestellt, das ja bekanntlich in großen Mengen zur Verfügung steht. Die Hersteller versprechen einen signifikant niedrigeren CO2-Fußabdruck als bei der Papierherstellung.

Kunststoff komplett zu ersetzen, ist sicher herausfordernd. Stoßt ihr bei eurem Ziel an funktionale Grenzen?

OA Sicher. Derzeit konnten wir zum Beispiel noch keine sinnvolle, im Einsatz gleichwertige Alternative zur Stretchfolie recherchieren, mit der Waren rutschfest auf den Paletten verzurrt werden. Wir verwenden zwar eine Hochleistungsfolie mit viel dünnerem Polyethylen als gewöhnlich. So können wir Material signifikant einsparen. Aber Kunststoff bleibt leider Kunststoff – hundertprozentiges Recycling ist da nicht abgesichert.

Wie entscheidet ihr, ob ihr einer neuen Lösung eine Chance gebt?

OA Wir sind generell von Haus aus immer am Puls von Innovationen, gerade beim Materialeinsatz. Allerdings müssen wir unsere innovative Vorreiterrolle hier stets mit der Qualitätsverpflichtung unseren Kunden gegenüber abwägen. Nachhaltigkeit bedeutet für uns auch, verantwortungsvoll auf Geprüftes und Bewährtes zu setzen. Experimente können wir uns im logistischen Bereich nicht wirklich leisten, zum Beispiel wenn es um ein erhöhtes Risiko von Transportschäden geht. Man kann nachlesen, dass dreißig Prozent der Schäden an Ladenbaueinrichtungen durch mangelhafte Verpackungen entstehen. Da wollen wir nicht dazugehören.

Entscheidet der Kunde bei euch mit, ob er seine Einrichtungen auf nachhaltigen Wegen geliefert bekommt oder nicht?

OA Nein, wir wollen so nachhaltig wie möglich liefern. Punkt. Wir werden dafür auch nicht mehr Geld verlangen. Das ist unser Thema, unsere Initiative, und wir fragen niemanden, ob er das möchte. Wir setzen voraus, dass Kunden das heute auch erwarten. Obgleich der Preisdruck in unserem Business steigt.

Vizona führt seit 2023 das ecovadis-Siegel Gold. Werden solche Bemühungen geschätzt?

OA Einige Kunden fragen konkret nach unseren Zertifizierungen oder benennen diese gleich als Anforderung in ihren Ausschreibungen. Unsere ureigene Motivation für das ecovadis-Rating, welches Unternehmen in puncto Umweltauswirkungen sowie ethischen und sozialen Aspekten bewertet, war aber, dass wir selbst einen verifizierbaren Maßstab zur Messung unserer eigenen Nachhaltigkeitsziele haben wollten.

Wenn es nach dir geht, welchen Weg nehmen Ladeneinrichtungen im Jahr 2035?

OA Der Einsatz von autonomen Lieferfahrzeugen und Drohnen könnte die Frachtwege revolutionieren. Diese Transportmittel wären wahrscheinlich effizienter und kostengünstiger, was zu verkürzten Lieferzeiten und niedrigeren Versandkosten führt. Es fängt aber bei den Store-Konzepten an, die noch viel stärker auf innovativen und nachhaltigen Materialeinsatz ausgerichtet sein werden.

Vielen Dank für das Gespräch und die spannenden Insights!